Zum ersten Mal in meiner 12-jährigen Tätigkeit als Schulmusiker zerfällt mein Beruf in zwei Bereiche, die sich nicht mehr vereinen lassen: In Schule und Musik.

Schule geht noch. Auch von zuhause aus, mit meinem Laptop, einem Mikrophon und einem E-Piano. Schule geht auch, wenn die Reaktion meiner Schülerinnen und Schüler nur aus Kurztexten besteht (oder im Falle meiner Maturaklasse aus Selfies, die wir als Ritual am Montag morgen in den Klassenchat stellen). Das Lehren (und das Lernen) haben sich massiv verändert. Wir sind mitten in einem Prozess, in dem viele Grundfesten des Unterrichtens neu verhandelt werden. Was mit offenen Unterrichtsformen, Digitalisierung und Individualisierung begonnen hat, wird nun turbomässig beschleunigt. Als Lehrperson bringe ich ein Angebot. Das ist schon länger so. Aber ob und auf welche Art meine Schülerinnen und Schüler dieses Angebot nutzen, kann ich in Zeiten von distant learning fast nicht mehr beeinflussen. Zwei grossen Stützen meiner Autorität sind (zumindest für den Moment) abgesägt worden: Die soziale Kontrolle und die Benotung von Leistungen.

Dennoch: Schule funktioniert immer noch. Mit Podcasts anstelle von Lehrervorträgen, mit gemeinschaftlich erstellten Inhaltsangaben zu Sendungen über Musikgeschichte, mit Gestaltungsaufträgen zu Filmmusik, die man am Computer bearbeiten kann.

Aber Musik? Unterrichte ich noch Musik? Oder raffe ich all die Themenbereiche zusammen, die zwar irgendwie im Musikunterricht vorkommen, die aber auf das aktive, das persönliche Musizieren verzichten können?

Je länger dieses distant learning anhält, desto weniger erfahre ich mich als Musiker, der seine Leidenschaft und sein Wissen auf eine handelnde, musizierende Art und Weise teilt. Nicht, dass ich (und wohl alle anderen Schulmusikerinnen und -musiker) es nicht versucht hätte: Ich habe Playbacks für meine U1-Klasse aufgenommen, habe ein Video von meinen Einsingübungen erstellt und mit meiner Maturklasse einen Sprechchor aufgenommen, den ich jetzt am Computer zu einem virtual choir zusammenbastle (unglaublich tricky, bei einem Sprechchor fällt es noch viel krasser auf, wenn nicht ganz alles super-synchron ist).

Aber ist das Musik? Als Pianist kann ich selber musizieren, als Sänger geht es gerade noch so, als Schulmusiker schwimme ich auf dem Trocknen. Mein Musizieren ist Kontakt, Kommunikation, Körperlichkeit. Ich brauche die Aktion und Reaktion der Klasse, das Zusammenströmen der Energien. Musik ist für mich auf eine existenzielle Art ein soziales Phänomen, ein gemeinsames Klingen, Formen und Bewegen.

Und bis jetzt ist mir es noch nicht gelungen, dieses sozial-verbindende Element der Musik über den Computer herzustellen.

Das Gute ist, dass mir jetzt wieder bewusst wird, was für ein wunderbare Berufung ich als Schulmusiker habe. Gemeinsam singen, gemeinsam atmen, gemeinsam etwas zum Klingen zu bringen… was gibt es Schöneres? Und ich schwöre mir, dass ich mich nie mehr über zu laut kichernde U1-ler oder über ein «Siiiiie, ich bin nur z’schpat, wils esone langi Schlange vor de Kafi-Maschine gha hät» aufrege. (Oder fühestens nach einer Woche «Normal-Schule».) (Oder zumindest nicht in den ersten fünf Minuten…)

Und ich schliesse mit der nervigen, altklungen Weisheit, wie sie nur in Popsongs vorkommen kann: «Well you only need the light when it’s burning low – Only miss the sun when it starts to snow» (Let her go – Passenger)

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