Das Modul «Neue Medien im Musikunterricht» war im vergangenen Coronasemester plötzlich von ganz besonderer Aktualität. Normalerweise erarbeiten die Studierenden im Frühlingssemester im Rahmen dieses Modules individuelle Projekte im pädagogischen Kontext, bei denen Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Neuen Medien im Unterrichtskontext ausgelotet werden. Nun wurde plötzlich zu Beginn der gesamte Unterricht, den die Studierenden erteilen und erhalten sollten auf einen Schlag digitalisiert.

Obwohl dadurch das Lernziel des Semesters automatisch auf das ganze Lern- und Lehrleben ausgeweitet war, verfolgten die vier Studierenden weiter ihre geplanten Projekte und beobachteten umso aufmerksamer, wie sich Ideen, Umsetzung und Ergebnisse durch das gänzlich «kontaktlose» Distant Learning veränderten.

Herstellung eines Hörspiels mit Garageband

Andreea Binicã

Kantonsschule Glarus (Februar – März 2020)

Schülerinnen und Schüler arbeiten in Zweier- und Dreiergruppen. Sie schreiben ein eigenes Hörspiel und nehmen es mit GarageBand auf. Das Projekt dauert fünf bis sechs Wochen. Instrumente und iPads sind vom Gymnasium zur Verfügung gestellt. Der Sprechtext wird analysiert und das Manuskript vorbereitet. Die Schülerinnen und Schüler lernen die App GarageBand kennen: sie hören Loops an, sie probieren virtuelle Instrumente aus, sie nehmen selber etwas auf etc. Danach üben sie das Hörspiel und nehmen es mit der App GarageBand auf. Dies wird mit einem selbstkomponierten Soundtrack ergänzt. Die Musik soll den Text stimmungs- und spannungsmässig unterstützen. Auch vorhandene Loops und Effekte von GarageBand stehen zur Verfügung, aber mindestens 2-3 Audio-Loops müssen die Schülerinnen und Schüler selber aufnehmen (z.B. Musikinstrumente, Gesang, Geräusche etc.).


Projekt zu MusicEyes

Felix Heller

“See what you hear” lautet das Prinzip von Music:Eyes. Anders als bei Filmmusik soll also nicht Musik den visuellen Eindruck unterstützen, sondern das Visuelle das unterstreichen, was wir in der Musik hören. In meinem Projekt mussten Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Romanshorn mit der partitur-basierten Music:Eyes-Software ein klassisches Stück animieren. In ihrer visuellen Interpretation treffen die Lernenden vielfältige Entscheidungen: Wann und wie ändere ich die Hintergrundfarbe? Welche Farben und Formen passen für mich zu welchen Klängen? Welche Stimmen sieht man in der Zukunft? Bleiben sie sichtbar, sobald sie erklingen oder verblassen sie? Von wo aus “sehe” ich die Partitur?

Die Schülerinnen und Schüler tauchen so in das Stück ein und eignen sich die Musik subjektiv an. Die Jugendlichen hörten sich ein klassisches Werk über Stunden, Tage und Wochen an und setzen sich mit dessen Interpretation auseinander. Mit Music:Eyes wird also etwas möglich, was sonst in einem Grundlagenfach Musik eher schwer vorstellbar ist. Dabei hatten die Lernenden viel Spass und die Ergebnisse, die entstanden sind, lassen sich sehen.

Hier ein Beispiel:

https://demo.musiceyes.org/p/sugarplum/romanshorn.c.18

Die Einführung in das Programm, die Besprechung von Zwischenresultaten in der Klasse oder auch Einzelcoachings konnten problemlos via Teams-Videokonferenzen stattfinden, womit das Projekt auch während des Lockdowns ohne Abstriche durchgeführt werden konnte.

Projekt Ear Master

Leila Erdin

Erlebnisbericht:

Das Thema Intervalle ist bestimmt bei euch im Musik-Unterricht auch schon aufgetaucht. Mir persönlich ist der Bezug vom theoretischen Intervalle-erkennen und Schreiben zum Hören der Intervalle sehr wichtig. Als ich nun eine Stellvertretung übernahm, bei der mir vorgegeben war mit dieser Klasse die Intervalle anzuschauen, packte ich die Chance und probierte die Hörtraining-App  «Ear Master» im Schulmusik-Unterricht aus.

Die Unterrichtseinheit sollte eine Kombination von selbstständigem Üben mit der App, von Schreiben und Erkennen der Intervalle, sowie vom Singen der Intervalle sein.

Während des Distance Learning fand ich es schwierig, die Arbeit der Schülerinnen und Schüler zuhause einzuschätzen. Zudem musste es für sie schwierig sein, motiviert zu bleiben und eine Struktur zu haben. Aus diesen Gründen habe ich ein Übeprotokoll eingeführt. Dabei mussten die SuS eintragen, wann sie wie lange und mit welchen Übungen geübt haben. Ein kurzer Satz als Selbstreflexion bezüglich Motivation, Lerneffekt und persönlichem Erfolgserlebnis gehört ebenfalls zum Eintrag.

Ich kann es euch sehr empfehlen, die Ear Master App oder ein ähnliches Hör-Trainings-Tool im Unterricht zu verwenden. Es ermöglicht ein individuelles, selbstständiges Üben der Schülerinnen und Schüler. Die Einführung in das Thema Intervalle ist sehr entscheidend und muss gut eingefädelt werden. Die Balance zwischen theoretischen und praktischen Inputs sowie eigenständigen Übesequenzen muss in einem guten Verhältnis stehen, damit die Schülerinnen und Schüler motiviert bleiben.

Wenn ihr das nächste Mal also auf das Thema Intervalle trefft: überlegt euch einen Einbezug von Ear Master oder einer ähnlichen App, es bietet viele Chancen.

Soundtrap

Melanie Weiss

Für den Kurs «Neue Medien im Unterricht» habe ich mir das Ziel gesetzt, das Online-Programm «Soundtrap» auszuprobieren und herauszufinden, ob das Programm für den Schulmusikunterricht geeignet ist. Dabei sind konkrete Projektideen und Gestaltungsaufträge für den Unterricht entstanden. Allerdings hat sich meine Planung für dieses Semesterprojekt während dem Corona-Lockdown etwas verändert und ich habe das Programm anfangs hauptsächlich dafür gebraucht Songs und Instrumente einzuspielen und aufzunehmen. Die dabei entstandenen Lieder und Songs habe ich meinen Kinderchören während dem Lockdown mit der Absicht, dass sie mit meinen Aufnahmen zuhause weitersingen können, zur Verfügung gestellt.

2019 war ich in Malmö an dem EAS-Schulmusikkongress, wo ich zum ersten Mal mit Soundtrap in Berührung kam. Der Gründer von Soundtrap hat das Programm an einer Veranstaltung vorgestellt und ich war sehr fasziniert davon.

Grundsätzlich ist das Programm mit «Garageband» vergleichbar. Es gibt allerdings zwei grosse Unterschiede: Soundtrap kann man von jedem Computer, Ipad, Tablet oder Smartphone über das Internet gebrauchen. Ausserdem können bei Soundtrap mehrere Nutzer am selben Projekt arbeiten. Diese Funktion macht das Programm für den Unterricht sehr attraktiv, weil sich Schüler und Schülerinnen über Soundtrap an einem Projekt austauschen und gemeinsam daran beteiligen können.

Soundtrap ist sehr benutzerfreundlich und verfügt über eine grosse Sound-, Loop-, Klang- und Instrumentenbibliothek. Das Programm bietet tolle Möglichkeiten für Gestaltungsaufträge im Musikunterricht wie zum Beispiel für Gedichtsvertonungen, Songwriting, Aufnahmen von Covers und Podcasts.

Ich kann das Programm sehr für den Musikunterricht empfehlen und werde es bestimmt in Zukunft in meinem Unterricht verwenden.

Für genauere Informationen, Projektideen und Beispiele darf man sich gerne bei melanie.weiss(at)bluewin.ch melden.

Resümee zum Unterricht im Coronasemester

In einer abschliessend auswertenden Diskussion hielten wir unsere wesentlichen Beobachtungen zum digitalen Unterricht der letzten Monate fest. Hier sind ein paar Gedanken dazu, die neben der allgemeinen Zoom-Erschöpfung Mut machen:

Überraschend war die Erkenntnis, dass große Teile des Klassenunterrichtes fast von der Umstellung unberührt weiterlaufen konnten. Leider gilt dies für interaktivere Formate und das Klassenmusizieren gar nicht. Hier ist noch keine befriedigende Technologie und Infrastruktur greifbar.

Eine sehr wichtige Beobachtung war, dass sich durch den digitalen Unterricht das Klima in Gruppen mit sozialen Schwierigkeiten entspannt hat. Durch die Einzelsessions war die Lehrperson zum einen sehr persönlich im Kontakt mit jeder und jedem, zum anderen fiel der Druck vor anderen cool dazustehen und sich nicht zu blamieren fast völlig weg, was ein freieres Arbeiten ermöglichte. Auch Niveauunterschiede werden im digitalen Unterricht eher abgemildert bzw. ein individuelleres Eingehen auf die Situation wird möglich.

Die Studierenden haben beobachtet, dass ihre SUS durch neue Formate zum Teil deutlich mehr zu begeistern und zu motivieren waren als im analogen Unterricht. Genannt wurden hier der Einsatz interaktiver Websites zum Eintauchen in klassische Musik oder die Idee, dass die SUS musikalische «audio-visuelle Grusskarten» für Freunde oder Verwandte gestalten sollten.

In den vergangenen Monaten ist eine wahre Flut von neuen Video-Kursen und digitalem Lehrmaterial entstanden. Wir diskutierten, ob es nun sinnvoll sein könnte, hier im Sinne einer Datenbank einen Überblick und eine allgemeine Verfügbarkeit anzustreben. Dagegen spricht, dass ein Unterricht, der zu sehr aus solchen Materialien zusammencollagiert ist, Gefahr läuft beliebig und wenig stringent zu werden.

Das Gelingen des digitalen Unterrichts hängt enorm von den gewählten oder zu erfüllenden Formaten ab. Während Einzelcoaching oder Gruppenarbeiten zum Teil fokussierter und konzentrierter waren als im Klassenzimmer, stellten sich bei wachsender Gruppengröße immer mehr Probleme ein – vor allem sobald es um Diskussionen ging. Es ist festzuhalten, dass sich Formen, in denen in kleinen Gruppen kurz aber dafür sehr konzentriert gearbeitet wurde, als produktivster Unterrichtsmodus gezeigt haben.

Als sehr positiv wurden die Tools und Funktionen zur Kontrolle der Arbeitsaufträge auf Lernplattformen durch die Lehrpersonen empfunden, da sie sehr viel Aufschluss über die Arbeitsweise und die Lernerfolge der SUS geben. Darüber hinaus lassen sich Lernerfolge auch visuell darstellen und so auch als spezifisches Feedback an die Lernenden zurückgeben. Überhaupt kann sich aus den Lernapps durch das selbstverantwortliche und selbstständige Arbeiten eine große Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit ergeben. Insbesondere für den Bereich Gehörbildung scheinen uns diese Aspekte sehr für den Einsatz von Apps und Lernplattformen auch im Normalbetrieb zu sprechen.

Im Instrumentalunterricht ist es sehr ungewohnt und ungünstig nicht im gleichen Raum zu sein, da man die motorischen Details nicht «körperlich» erklären und bei den SUS auch nicht alle Haltungsprobleme direkt mitbekommen kann. Zudem sind hin und wieder auch Eltern anwesend, was den Unterricht sehr stört. Als positiver Aspekt ist festzuhalten, dass man einen Eindruck erhält wie die SUS zuhause Musik machen können. Haltungsprobleme, Lärm und anderes kann das Übverhalten stark beeinflussen. Wenn wir von diesen Umständen wissen, können wir besser darauf eingehen. Eine gute Lösung scheint das Aufnehmen von Videos zu sein, da für die Aufnahmen oft besser geübt wird als für den Unterricht und eine Ebene der möglichen Selbstkontrolle hinzukommt. In diesem Zusammenhang wurde als Empfänger*innen von Instrumentalunterricht sogar davon berichtet, dass die Konzentration zum Teil sogar höher war – dass also genauer gehört und gesehen wurde.

Es geht ein einmaliges, Kräfte zehrendes aber auch sehr lehrreiches Semester zu ende.

Einen schönen Sommer wünschen,

Andreea, Leila, Melanie, Felix und Dennis

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