Nicholas Reed, ich möchte Sie als neuen Dozenten für Perkussion im Bachelor Musik und Bewegung sowie im Master Elementare Musikpädagogik herzlich an der ZHdK begrüssen!

Sie haben relativ früh in der Corona-Zeit ein Projekt lanciert, das zur feinen Klangsuche aufforderte. Wie kam es dazu?

Bei mir löste diese Zwangspause Kreativität und Fantasie in meinem täglichen Leben aus. Nachgedacht habe ich sofort über die sozialen und räumlichen Beschränkungen, unter deren Auswirkungen wir plötzlich leben mussten. Wo findet man Schönheit im Klang, wenn alle Schlagzeugkeller der Welt geschlossen sind und die teuren „Exoten“ wie Klangschalen, Gongs, Becken und Glocken zwangsläufig ruhen? Hört Schönheit auf? Oder müssen wir lediglich fleißiger und einfallsreicher auf die Suche gehen, um verborgene Schätze in unserer unmittelbaren Nähe zu enttarnen? Daraufhin lud ich zu diesem kleinen Klangexperiment ein.

Gerne möchte ich hinzufügen, dass ich dennoch kein positives Fazit aus dem Ausnahmezustand ziehen würde, denn zu viele Menschen werden die körperlichen und psychischen Beschädigungen lange mit sich tragen müssen.

Kollaborative Fernereignisse I: “Virtuelles Carillon I”
  1. Können Sie uns einen Einblick in Ihre musikalische Biografie geben?

Groß geworden bin ich mit der abendländischen klassischen Musiktradition – eine große Liebe zu Mozart entdeckte ich dank meines Vaters. Meine Eltern haben beide Musik studiert, pflegen aber aktiv die englische Volksmusik-Tradition und sind mit Geige und Whistle öfters mit ihrer Band unterwegs.

Meine Interesse für die englische Volksmusik stammt bestimmt daher. “High-Art” berührt und inspiriert mich nach wie vor, aber auch künstlerische Gedanken, bei denen Fragen zur Gesellschaft und der zwischenmenschliche Dialog im Vordergrund stehen. Ich liebe die Musik der englischen Renaissance, deutsche Lieder, und vor allem das Œuvre der Zweiten Wiener Schule – Schönberg und Webern waren Giganten! Auch Bruno Maderna gehört zu meinen Lieblingskomponisten.

Dass Schlagzeuger*innen sich hauptsächlich mit moderner Musik beschäftigen ist kein Geheimnis, dadurch entwickelte sich meine größte musikalische Leidenschaft – die Neue Musik. Mit dem Ensemble Aventure spiele ich etliche Uraufführungen in einer Saison. Neues zu erschaffen ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, vor allem, wenn die Grenze zwischen Künstler*innen und Publikum in Frage gestellt wird.

Zudem höre ich viel Hip-Hop und interessiere mich sehr für traditionelle Musik aus anderen Kulturen, vor allem Westafrika. 

  1. Welches Projekt mit Studierenden der Musikhochschule Freiburg/Breisgau hat sie besonders herausgefordert?

Seit fast vier Jahren leite ich ein Kooperationsprojekt, das die Musikhochschule mit der Justizvollzugsanstalt verbindet. Studierende haben dabei die Möglichkeit mit Inhaftierten des JVA-Bildungszentrums zu arbeiten. Zwei Mal im Jahr präsentieren sich dann die Inhaftierten mit uns in einem kleinen Workshop-Konzert. Im aktuellen Semester wäre der Schwerpunkt Die Geschichte vom Soldaten gewesen, leider ist die Corona-Krise dazwischen gekommen. Es ist zugegebenermaßen manchmal psychisch eine sehr herausfordernde Arbeit, jedoch eine äußerst wichtige. Das Gefühl zu haben, dass man die Inhaftierten mit musikalischen Impulsen erreichen kann, ist Bestätigung und gibt viel Energie und Kraft. 

  1. Worauf freuen Sie sich, wenn Sie die Dozentur für Perkussion Musikpädagogik übernehmen an der ZHdK?

Schlagwerkinstrumente aller Art sind in etlichen Vermittlungssituationen unersetzlich. Sie können Brücken bauen, bieten zahlreiche Möglichkeiten, die kreative Fähigkeiten eines jeden Menschen zu erwecken und entwickeln. Daher ist mir meine Verantwortung, den Studierenden mit einer brauchbaren Spieltechnik zu versorgen sehr bewusst. Jedoch reichen meine Aufgaben weit über dieses technische Ziel hinaus.

Musik soll für den Aufbau von Dialog, für Kommunikation und Verständnis stehen. John Cage hatte Recht, als er die Grenzen zwischen Kunst und Leben abzuschaffen versuchte, oder mindestens in Frage gestellt hat. Ähnliche Wege möchte ich mit den Studierenden auch gehen. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start und bedanke mich für dieses Interview!

Ruth Frischknecht

Kollaborative Fernereignisse I: “Virtuelles Carillon II”

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