In diesem Semester verfassen die Studierenden des ersten Jahres des Masterstudiums Schulmusik II unterschiedliche Texte über Musik und Pädagogik.
Ein Text von Michael Baumann.
Mitte April hatte ich die Gelegenheit, mich mit Andrew Bond auszutauschen. Der 56-jährige Kinderliedermacher ist bei der jüngeren Generation schweizweit bekannt. Viele seiner Songs sind mittlerweile Kult. Bekannt wurde er durch seine ersten CDs “Zimetschtern han i gern” und “Suneschtraal tanz emaal”. Mittlerweile ist er Inhaber des “MärliMusicalTheater” in Wädenswil.
Ursprünglich hat Andrew Theologie studiert. Im ersten Semester seines Studiums wurde er von der Sekundarschule Wädenswil für eine Stellvertretung in Religion angefragt. Bald darauf war er dort als Religionslehrer tätig und wurde zwei Jahre später zusätzlich als Musiklehrer angestellt. Aus einem Vikariat wurden 17 Jahre Musikunterrichten. Andrew hat diese Zeit sehr genossen und bezeichnet sie als ein Highlight in seinem Leben. Im Gespräch erzählt er mir zahlreiche Anekdoten, die seinen Unterricht charakterisiert haben und gibt mir einiges von seiner Erfahrung weiter, was für mich als angehenden Schulmusiker sehr inspirierend war.
Was machen wir eigentlich hier?
Für Andrew war klar: In seinem Unterricht geht es um Musik. “Musik ist enorm wichtig im ganzen Leben. Kein Film ohne Musik, im Warenhaus läuft Musik, du hörst Musik beim Autofahren etc. Je mehr du davon verstehst, desto besser.” Für die wirklich relevanten Fragen im Leben eines Teenagers gäbe Musik viel mehr her als z.B. Verben konjugieren im Franz. Die Schüler*innen zu spüren und dort abzuholen, wo sie mit ihren Interessen momentan stehen, sei deshalb der Schlüssel zu einem intrinsisch motivierten Musikunterricht. Als Lehrperson sollte man sich fragen, wo die Musik relevant im Leben der einzelnen Schüler*innen ist. Das muss nicht immer eine Band, sondern kann auch ein Song aus einem Film, der Jingle der Champions League oder ein Song aus dem FIFA-Game sein.
Diese bereits bekannte Musikwelt nennt Andrew scherzhaft “Pizza Margherita”. Jeder mag Pizza, doch die besten Pizzakenner seien diejenigen, die auch eine Quattro Staggioni, eine Funghi oder eine Hawaii probiert hätten. So sah es Andrew als seine Aufgabe, den musikalischen Horizont seiner Klassen zu erweitern, nachdem er sie dort abgeholt hatte, wo sie gerade waren. Gleichzeitig hätte aber jeder das Recht, ein Leben lang dieselbe Pizza zu essen, ohne dass man ihm vorwerfen könnte, er möge weniger gern Pizza. Das sei künstlerische Arroganz.
Das Interesse wecken
Doch wie entfacht man das Interesse von Jugendlichen? Oft wissen diese ja selbst nicht so genau, wo und weshalb Musik in ihrem Leben relevant ist. Bei der Liedauswahl hat Andrew deshalb immer darauf Wert gelegt, dass sich die Songs inhaltlich mit Fragen oder Gefühlen auseinandersetzen, welche die Schüler*innen auch beschäftigen. Ist einmal klar, um was es in einem Song eigentlich geht, oder unter welchen gesellschaftlichen Umständen dieser entstanden ist, entsteht ein emotionaler Bezug dazu. Ein Song wird so relevant, weckt Interesse und fördert schlussendlich die musikalische Bereitschaft der Jugendlichen.
Beiträge waren ein weiteres Mittel, dass Andrew gerne im Unterricht einsetzte. Diese waren freiwillig und konnten über ein beliebiges Thema gehalten werden. So konnten die Schüler*innen ihre Note aufbessern und gleichzeitig ihre persönlichen Interessen vertiefen.
Was macht eine gute Lehrperson aus?
Klar hatte Andrew in seiner Zeit als Sekundarlehrer auch schwierige Schüler*innen, die unmotiviert waren oder den Unterricht gestört haben. Oft seien aber genau die verhaltensauffälligen Schüler*innen diejenigen, die in der Musik ein besonderes “Feuer” mitbrächten, meint Andrew. Dennoch seien klare Regeln und Bestimmtheit wichtig. “Ich war ein strenger Lehrer.”, erzählt er. Wenn man etwas ansagt, müsse man dies auch durchziehen. “Die merken nach zwei Minuten, ob du es ernst meinst oder nicht.”, sagt er.
Doch didaktische Methoden und fachliche Kenntnisse seien nur ein kleiner Teil vom Ganzen. Für Andrew ist deshalb der Schwerpunkt der Pädagogischen Hochschulen viel zu stark auf den fachlichen Inhalten und auf deren Vermittlung “von Kopf zu Kopf”. Viel entscheidender für einen guten Musikunterricht sei aber die Fähigkeit, die Klasse abzuholen und zu begeistern, Ruhe und Sicherheit auszustrahlen und in allem was man tut, authentisch zu sein.
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