Sarah Gasser studierte an der ZHdK BA Musik und Bewegung. Nach ihrem Abschluss hat sie ein Engagement bei der britischen Choreografin Seeta Patel. In der Produktion «Rite of Spring» verbindet Seeta Patel gemeinsam mit ihrer Compagnie die klassische indische Tanzform Bharatanatyan mit Le Sacre du Printemps.
Für ihr Engagement bei Rite of Spring hat Sarah Gasser ihr Studium bereits abgeschlossen. Am 2. April 2019 führte sie ihr Bachelorprojekt: Just Another Point Of View an der ZHdK auf. Die Bachelorprojekte ihrer Mitstudierenden Olavo Do Nascimento, Alina Harangozo, Marlen Müller, Fabienne Rosenbaum und Stella Vetter werden am 1. und 2. Juni um 19 Uhr im Theater am Gleis in Winterthur präsentiert.
Bharatanatyam ist eine sehr traditionelle und in der Schweiz eher unbekannte Tanzform. Wie und wann hast du Bharatanatyam für dich entdeckt?
Ich war gerade mal 4 Jahre alt, als meine Familie einen Auftritt eines indischen Tänzers in Zürich besuchte. Es war das erste Mal, dass ich so etwas gesehen hatte und um mich war es geschehen. Ich war verzaubert von der Harmonie und Anmut, dem Ausdruck und den kraftvollen Bewegungen, den Kleidern und dem Schmuck. Von diesem Tag an war für mich klar: Ich werde indische Tänzerin.
Einfacher gesagt als getan. Als ich nach langem Drängen meine Eltern doch noch überzeugen konnte, begann die damals schwierige Suche nach einer Tanzschule in der Schweiz. Um meinen Tanzhunger vorübergehend zu stillen besuchte ich Kinder Jazztanz. Zwei Jahre, mit knapp 6 Jahren, bot sich dann endlich die Möglichkeit, Bharatanatyam Tanzstunden zu besuchen. Zusammen mit meiner Mutter nahm ich diese Chance wahr und begann so meinen Weg als indische Tänzerin.
Während in der Schweiz der indische Tempeltanz eher unbekannt ist, besteht in Grossbritannien auf Grund der kolonialen Vergangenheit ein reger Austausch zwischen britischer und indischer Kultur. Wie fühlt es sich für dich an, nach deiner Ausbildung in Indien nun in London bei der Produktion Rite of Spring mitzuwirken?
Durch die koloniale Vergangenheit ist die Anzahl der NRI’s (Non-Residential Indian) in Grossbritannien sehr gross. Um ihre kulturelle Herkunft am Leben zu erhalten, gibt es unzählige Institutionen, die indische Kunst und Kultur leben, fördern und unterstützen. Indische Kunstformen sind verbreitet, bekannt und anerkannt und werden vom Staat unterstützt.
Die indischen Tänzer*innen in England sind jedoch, genauso wie ich auch, zwischen den Kulturen aufgewachsen. Neben der Tradition besteht ein grosses Interesse am Austausch und der Verbindung der beiden Kulturen. Es ist für mich persönlich umso aufregender, den Klassiker aus dem Westen „Le Sacre du Printemps“ – „The Rite of Spring“ mit dem Vokabular des Bharatanatyams zu visualisieren. Es vereint die zwei Welten, in denen ich mich befinde.
Es gibt zahlreiche Choreografien zu Le Sacre du Printemps. Welche Chancen siehst du in der Verbindung des klassischen indischen Tempeltanzes mit dieser Musik?
Grosse!! Zu Beginn des Projektes im letzten Jahr konnte ich mir noch nicht wirklich vorstellen, wie die Verbindung zu Stande kommen soll. Der indische Tanz, der hauptsächlich mit Mimik und Gestik Geschichten erzählt und Charaktere darstellt, soll nun eine untypische Opfergeschichte ohne Monologe oder Dialoge erzählen. Das gewichtige Medium der Mimik spielt nun plötzlich keine Rolle mehr. Jedoch werden andere Aspekte umso wichtiger: rhythmische Überlagerungen, Koordination, Formationen und viele mehr. Die Haltung, Atem, Energie und Präsenz jeder Tänzerin und jedes Tänzers spielt eine grosse Rolle für das Zusammenspiel und das Gelingen. Dies sind dem indischen Tanz bekannte Aspekte, die jedoch meistens durch die prägnante Mimik und Gestik in den Hintergrund geraten.
Aus meiner Sicht hat diese Verbindung riesige Chancen, denn Bharatanatyam ist eine sehr ausdrucksstarke Kunstform, die keine Grenzen hat, sofern man sich diese nicht selbst setzt.
Bei der Tagung Interkultur?! im Herbst 2018 haben wir uns über deine Erfahrungen und Ausbildung in Indien ausgetauscht. Bei der Diskussion haben wir viel über «Eigenes» und «Fremdes» gesprochen und über den Austausch «zwischen den Kulturen». Dabei wurde deutlich, dass das «Eigene» in Abgrenzung zum «Fremden» konstruiert und wandelbar ist. In deinem BA-Projekt ist es dir gelungen, etwas Eigenes zu kreieren, das nicht in dem Dazwischen ist, sondern etwas Neues. Kannst du diesen Entstehungsprozess beschreiben? Was hast du für dich Neues, Eigenes und Fremdes entdeckt während der Arbeit an deinem Abschlussprojekt?
Ich habe mich mit sehr viel „Fremdem“ und „Neuem“ beschäftigt. Ich schaute Tanzperformances von verschiedenen Tanzstilen und habe viel verschiedenes Bewegungsmaterial selber ausprobiert. Ebenso habe ich viel Musik angehört und habe beobachtet, was die jeweiligen Stücke emotional mit mir machen und wie sich das auf meine Bewegungen auswirkt.
Ab dem Zeitpunkt, als ich meine Choreographie des BA-Projektes begann, zog ich meine ausgestreckten Fühler ein und fokussierte mich nach Innen. Ich versuchte mich nun mit meinem Körper auszudrücken und Bewegungsmaterial zu verwenden, das aus mir heraus kam. Mir war – bis auf den Konnakol Teil – unwichtig, welche Bewegung aus welchem Tanzstil war. Es ist mein Körper mit seinem Bewegungsmaterial, der die Geschichte auf seine Art erzählt. Jeder Körper hat eine andere Sprache. Für diese Geschichte war dies die Meine.
Vielen Dank für den Einblick in dein künstlerisches Schaffen und viel Erfolg in London!
Wir sind gespannt auf die anstehenden Bachelor- und Masterprojekte der Studierenden Musik und Bewegung / Schulmusik, zu denen wir interessierte Leser*innen herzlich einladen:
Konzertsaal 1 ZT 7.K05
Solo und Ensembleperformance MA Schulmusik II (Alexandra Blatter)
Mehrspur Musikklub ZT 1.G19
Solo und Ensembleperformance MA Schulmusik II (Mirella Steiner und Joel Tapernoux)
Konzertsaal 2 ZT 7.K06
Bachelorprojekt Schulmusik (Hannah Beutler)
Konzertsaal 3 ZT 7.K12
Bachelorprojekt Schulmusik (Jacqueline Gemperli)
Mehrspur Musikklub ZT 1.G19
Bachelorprojekt Schulmusik (Michael Baumann)
1. Juni und 2. Juni 2019, 19 Uhr
Theater am Gleis, Untere Vogelsangstrasse 3, Winterthur
Bachelorprojekte Musik und Bewegung (Olavo Do Nascimento, Alina Harangozo, Marlen Müller, Fabienne Rosenbaum und Stella Vetter)
Konzertsaal 2 ZT 7.K06
Solo und Ensembleperformance MA Elementare Musikpädagogik (Bojana Ammersinn)
Konzertsaal 2 ZT 7.K06
Soloperformance MA Schulmusik I (Miguel Geijo)
Konzertsaal 1 ZT 7.K05
Bachelorprojekt Schulmusik (Corina Haldenstein)
Kammermusiksaal 1 ZT 5.K13
Bachelorprojekt Schulmusik (Katja Elsener)
Mehrspur Musikklub ZT 1.G19
Soloperformances MA Schulmusik I (Matthias Baumann, Omer Nevo, Michael Nobel)
Konzertsaal 1 ZT 7.K05
Bachelorprojekt Schulmusik (Mattis Sussmann)
Mehrspur Musikklub ZT 1.G19
Ensembleperformance MA Schulmusik I (Matthias Baumann, Omer Nevo, Michael Nobel und Miguel Geijo)
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