Rückblick auf drei Weiterbildungstage in Bern
Bereits zum 16. Mal ruft das Schulmusikforum Bern interessierte Musiklehrkräfte zusammen um über neue Unterrichtsmethoden und Inhalte zu informieren. Referent*innen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich präsentieren ihr musikalisches Steckenpferd.
Etienne Abelin stellt eine Musiksoftware vor, mit der er partiturbezogene Musikvisualisierungen vornehmen kann: Music:Eyes. Im Musikunterricht auf der Oberstufe kann ich mir den Einsatz sehr gut vorstellen. Die SuS laden die einzelnen Spuren eines Songs ins Programm und gestalten selbst Form und Farbe. So kann ein Stück akustisch und visuell zum Vergnügen werden.
Damit eröffnet er die Veranstaltung an der rund 450 Lehrpersonen aller Unterrichtsstufen (KIGA bis SMII) teilnehmen. Das Programm kann sich jede*r Teilnehmende spontan vor Ort selbst zusammenstellen. Man wählt zwischen 8 Kursen am Vormittag aus – so auch am frühen und späteren Nachmittag. Eine verbindliche Anmeldung zum jeweiligen Workshop ist nicht nötig. Erstaunlicherweise pendelt sich die Teilnehmendenzahl gut ein.
Abends sind alle zum Konzert der «Gringos Fantasticos» eingeladen.
Originell, rau, fast brachial, als gäb’s kein Morgen mehr. Der Campus Muristalden brodelt.
Ich kann mich nicht an ein Schulmusikforum ohne Nanni Byl erinnern. Sie gehört dazu wie auch Gerhard Reiter oder Kurt Rohrbach. Kurt ist der Initiant des Forums. (Mittlerweile haben seine Kinder die Organisation übernommen.) Nanni vermag schon kurz nach Acht die ganze Menschenmenge zu wecken. Professionell und sympatisch. Nanni hat einen Lehrauftrag für Jazz an der Uni Mainz. Ihre grosse Erfahrung in Sachen Stimmbildung, Ensembleleitung und Arranging überzeugt von der ersten Sekunde weg.
Antonia Giordano (PH Bern) stellt ihre neue Plattform vor: musik21.ch
Sie verspricht revolutionär zu sein. Eine Sammlung an Unterrichtsinhalten: aufbauend und selbsterklärend. Der «Share»-Gedanke überzeugt. Vielleicht fehlt es noch an Struktur und Übersicht?
«Ohne Noten»: ein Thema das nicht nur im Bandspiel auftaucht. Der Workshop «Singen ohne Noten» von Thomas-Maria Reck zeigt Möglichkeiten auf, wie man mit Chören Musik erfinden kann. Die Idee gründet auf Circlesongs, die man mit klaren Handzeichen aus dem Moment heraus arrangiert. Man reagiert auf Anfänger*innen, fordert Fortgeschrittene und celebriert den Genuss der entstandenen Harmonien. Verschiedene Formationsformen rhythmisieren die Übephasen.
Gregor Müller aus Wiesbaden demonstriert versiert, wie er mit relativer Solmisation Schulklassen zum mehrstimmigen Singen bringt. Sein Fokus legt er auf die Hörvorstellung. Mit dieser Technik ist er sehr effizient unterwegs. Das Resultat ist verblüffend und lässt sich zeigen.
Sehr interessant ist auch das Kultsoundreferat von Immanuel Brockhaus. In seiner Doktorarbeit analysiert er über 2200 Popsongs von 1960 bis 2014 und vergleicht die Sounds. Er beweist sich als absoluter Kenner auf diesem Gebiet.
Der Lehrplan 21 setzt vermehrt auf gestalterische Prozesse, die man auf der Bühne präsentieren soll. Dies spiegelt auch das Programm des Forums. Kurse wie «Wundertüte Schlussevent» von Marc Marchon oder «Bühne frei» von Lie Bruns verraten, wie man das Publikum mit einfachen Mitteln überraschen kann.
Die meisten Workshops sind handlungsorientiert angelegt. Rahmentrommel spielen, deutsch-englische Groove Games, Bodysongs, Jazzimprovisation, Pop-Chor, Rhythmustraining… überall tanzt, singt, schwingt der Körper mit.
Rolf Grillo führte mit 80 Teilnehmer*innen rhythmische Klatschspiele durch. Sein Geheimnis beruht auf dem Pendel zwischen Forderung und Fähigkeit. Er strebt das Flowgefühl an. Hier wächst der effizienteste Lernmoment. Entspannung und Spannung halten sich die Waage. Andreas Gerber begleitet ihn mit groovigen Chords am Piano. Das Duo spielt mit cabaretistischen Einlagen. Die schwierigsten Polyrhythmen zeigt Rolf in einer Leichtigkeit, als ob es nichts Einfacheres geben würde. Die Gruppe zollt das Engagement mit grossem Applaus.
Das Schulmusikforum zeigt sich als Tankstelle. Die Teilnehmer*innen füllen ihre Rucksäcke mit vorgefertigten oder angedachten Ideen und Konzepten. Es ist vor allem die Energie und Motivation der Dozierenden, die ansteckt und zum Nachahmen animiert. Während den Workshops fehlt die Zeit für kritische Gedanken, Austausch oder Diskussionen. Mit Wonne hab ich Gespräche in Mittagspausen und an Randmomenten erlebt, die dem nachkommen. Es passiert sehr viel – viel Inspirierendes, viel Hochkarätiges. Musiker*innen und Lehrpersonen treffen aufeinander und kommen ins Gespräch. Sie sprechen über Musikunterricht. Hoffentlich fliessen all die guten Gedanken in die Schulhäuser und demonstrieren die Wichtigkeit der Musikvermittlung.
In zwei Jahren wird das Forum erneut Trends und Traditionen servieren. Hoffentlich les ich auch mal Referenten-Namen von ehemaligen Studierenden der ZHdK. Das würd mich sehr freuen!
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