Liebe Esther, vor Kurzem hast du die Pop-Kantate «Das Licht der Welt» für das Reformationsjubiläum mit Chor und Orchester uraufgeführt. Dein Partner schrieb die Musik, du hast die Gesamtleitung des Projekts übernommen. Wie geht’s nun weiter?

Nach einer Pause haben wir das Werk nochmals aufgeführt. Das war überaus spannend. Ich habe dies als Neuentdeckung empfunden. Das hat mich enorm motiviert. 

Grössere Projekte stehen im Moment nicht an. Die Jahresplanung ist in Arbeit.  Ich plane gerne weit voraus, möchte aber immer offen und hellhörig bleiben, um spontan auf Anlässe reagieren zu können. 

Du hast vor vielen Jahren das Schulmusikstudium an der ZHdK abgeschlossen. Woran erinnerst du dich? 

Ich durfte viele Einzelfächer belegen: Saxophonunterricht, Gesangs- und Klavierstunden, Improvisation. Davon konnte ich stark profitieren. Das Angebot empfand ich als sehr grosszügig. Auch Solmisation und Dirigieren haben mich enorm weitergebracht.

Wie lange warst du als Schulmusikerin unterwegs?

Das waren 17 Jahre in Degersheim. Ich durfte alle Musiklektionen an der Schule übernehmen. Dies hat Vieles vereinfacht. Ich kannte alle Schüler_innen, war die einzige Nutzerin des Singsaals, durfte ein Schlagzeug, ein E-Piano, eine Mikrophonanlage anschaffen und konnte mich an etlichen Anlässen musikalisch einbringen. Disziplinarisch hatte ich keine Probleme. Zudem interessiert mich die Pubertät mit all ihren Herausforderungen sehr. Viele Lehrpersonen empfinden diese Arbeit als anstrengend – mir entspricht sie total. Verhaltensregeln, menschliche Werte, Umgang untereinander, Motivation, der kreative Prozess – genau das ist mir wichtig. Musizieren ist ein grosser Teil in diesem Beruf, aber die menschliche Seite nimmt genau so viel Platz ein. Im Schulzimmer bin ich Musikpädagogin und nicht Musikerin. Und das ist vielen nicht bewusst. Nach 17 Jahren den Beruf abzulegen war nicht einfach und doch spürte ich, dass ich noch etwas anderes sehen möchte.

Seit neun Jahren bist du auf einem neuen Weg. Wo trifft man dich nun an?

In der Kirche! Nebst Schulmusik hab ich mich seit je her für Kirchenmusik interessiert. Ich hab früher in der Kirche georgelt. Eigentlich stand ich schon immer mit einem Bein in der Kirchenarbeit. Nach einem zweitätigen Kurs «Berufsbild Kirchenmusikerin» hab ich gewusst: da gehör ich hin. Aktuell arbeite ich nun zu 70% als Kirchenmusikerin mit Schwerpunkt Chorleitung und Projektarbeit in der Katholischen Kirche Uzwil und Umgebung und in einer kleinen Anstellung als Chorleiterin des Sing-mit Chors der Evangelischen Kirchgemeinde Unteres Toggenburg.

Wie kommt man dazu? Hast du dich zur Kirchenmusikerin ausbilden lassen?

Genau. Am besten erzähl ich von ganz vorne. Als Erstes besuchte ich das Kindergärtnerinnenseminar St. Gallen, weiter absolvierte ich die zweijährige Chorleiterausbildung bei Karl Scheuber. Das war ein ganz neuer Ausbildungsgang für Leute, die bereits einen Chor dirigierten. Daran reihte ich das Schulmusikstudium. Anschliessend entschied ich mich für den Ausbildungsgang «Musikalische Früherziehung» in St. Gallen und zum Schluss absolvierte ich das Nachdiplomstudium Kirchenmusik.

Nun lassen sich alle Fertigkeiten in meiner jetzigen Tätigkeit vereinen. Ich konnte in St. Gallen an der diözesane Kirchenmusikschule dkms einen Kinder- und Jugendchorleiter-Ausbildungsgang ins Leben rufen. Ich entwickelte die schweizerische Kirchenmusikwoche und arbeite mit Menschen allen Alters. Das ist herrlich! 

Wer ist dein Vorbild?

Hans Eberhard, der kürzlich verstorbene St. Galler Domkapellmeister – ein ruhiger, unauffälliger Dirigent, mit absolut klaren und schönen Zeichen. Ein Top-Dirigent. Er hat mich fasziniert. Auch menschlich war er ein sehr feiner Herr. 

Und wie geht’s weiter? Hast du grosse Ziele für die Zukunft?

Mein grosses Ziel ist es, das Niveau zu halten und zusammen mit meinem Umfeld zu wachsen.

Hast du ein Leitspruch, der dich im Leben begleitet? 

«Altes bewahren und Neues fördern.» Das mag ich sehr. Die Wurzeln möchte ich nicht vergessen, sondern darauf aufbauen und mit Neuem kombinieren. Zur Zeit arbeite ich an alter Musik: Gregorianik, Haydn, … ich liebe aber auch zeitgenössische Werke. 

Ich lebe im Jetzt (und oft auch schon im Morgen), sowie viele andere auch. Die möchte ich mitziehen und mit ihnen neue Kombinationen suchen, etwas gemeinsames Neues entdecken oder erschaffen. 

Dabei wünsch ich dir viel Erfolg und Freude. Herzlichen Dank für das Gespräch.