Gastbeitrag von Manuel Siebs, Student Master Schulmusik I

Seit meiner Kindheit fasziniert mich die westafrikanische Trommelmusik. Nebst dem regulären Unterricht besuchte ich diverse Workshops bei verschiedenen Lehrern. Als ich mich entschied, meine Passion zu meinem Beruf zu machen, zog ich von der Ostschweiz nach Bern. Dort kam ich schnell in Kontakt mit Musikern aus dem Senegal. 

Die herausragenden Musiker hiessen mich mit offen Armen willkommen. So musizierten wir fast täglich zusammen in Tanzkursen, an Konzerten, in Workshops oder auf der Strasse. Im Alter von 20 Jahren reiste ich im Februar 2008 mit Abou Konté das erste Mal in sein Heimatland Senegal. Vom Afrikafieber gepackt, folgten vier weitere Reisen in den Senegal, Mauretanien sowie Burkina Faso.

Die Erfahrung an Hochzeiten, Taufen und diversen anderen Festen zu spielen ist bis heute einzigartig. Zu sehen und zu erleben, wie die Musik Bestandteil des Lebens in Westafrika ist, war einfach grossartig.

Ich mit der Familie von Mory

Auf meinen Reisen lebte ich bei verschiedenen Griotfamilien (Musikerfamilien).

Ich fühlte mich immer sehr willkommen und durfte – als wäre es eine Selbstverständlichkeit – überall mitspielen. Mich überraschte mit welcher Freude sie mir ihr Wissen weitergaben. Es erfüllte sie mit Stolz, wenn ich ihre Rhythmen und Breaks spielen konnte. 

Was mich ebenfalls sehr beeindruckte, war ihr Einsatz beim Musizieren. Es wird getrommelt bis das Fest fertig ist. Auch wenn die Hände bluten – es wird weiter gespielt. Manchmal kommt es sogar vor, dass die Trommler nach dem Spielen Blut urinieren.

Als mir das beim ersten Mal passiert ist, bin ich sehr erschrocken. Doch sie haben mir dann erzählt, dass das üblich ist. Bis heute weiss ich nicht genau woran das liegt. Ich habe mal gehört, dass die roten Blutkörperchen durch das ständige Schlagen auf die Trommel kaputt gehen und dann über den Urin ausgeschieden werden. Ob das wirklich stimmt weiss ich allerdings nicht.

Auf meiner dritten und vierten Reise in den Senegal, begleitete ich meinen guten Freund Mory Samb. Er stammt ebenfalls aus einer Musikerfamilie. Vor allem sein jüngerer Bruder Sadbou ist in Senegal weit bekannt. Mit ihnen reiste ich im ganzen Land umher und spielte an diversen Festen. Die wohl spannendste Reise führte uns nach Mauretanien. 

Nimzat in Mauretanien

Mory und seine Familie reisen jedes Jahr dorthin um das Ende des Ramadans (Fastenmonat) zu feiern. Als wir von Mbour – dem Heimatort von Mory – losfuhren, wusste ich nicht was mich erwartet, aber ich machte mir darüber auch keine Gedanken. Beim Grenzübergang Senegal-Mauretanien in der Stadt Rosso musste ich meinen Pass vorweisen. Der Grenzwärter wies mich darauf hin, dass ich gar kein Visum habe und ich deshalb nicht einreisen darf. 

Sadbou hat dann mit ihm gesprochen und erklärt, dass ich extra angereist bin um mit ihnen am Fest in der Wüste zu spielen. Der Zollbeamte war sehr erfreut darüber und liess mich passieren. Allerdings musste ich meinen Pass bei ihm deponieren. Auf der Rückfahrt könne ich ihn dann wieder abholen. Ich willigte ein, gab ihm meine Papiere und fuhr mit der Familie weiter in die Wüste.

Nach mehreren Stunden Autofahrt sind wir mitten in der Nacht in Nimzat angekommen. Irgendwo in der Weite der Sahara. Da es dunkel war, konnte ich von der Umgebung nicht viel erkennen, aber schnell wurde mir klar, dass es nicht viele komfortable Schlafmöglichkeiten gab.

Also fragte ich Mory wo wir übernachten. Er zeigte auf den Sand und antwortete, hier auf dem Boden.

Der eindrückliche Sternenhimmel liess mich vergessen, dass ich im Sand der Sahara lag – ohne Zelt, Decke und Kissen.

Wir blieben vier Tage und vier Nächte in Nimzat. Tagsüber war nicht viel los. Die meiste Zeit suchten wir unter den Büschen Schutz vor der Sonne. Dafür war die Nacht umso lebendiger. Jeden Abend spielten wir mehrere Stunden bis zum Morgengrauen. 

In dieser unglaublich faszinierenden und gleichzeitig so fremden Umgebung Musik machen zu dürfen war sehr eindrücklich. Aber auch die Begegnungen mit den Menschen waren sehr berührend.

Nach vier Tagen machten wir uns auf den Heimweg. Zurück an der Grenze in Rosso suchten wir den Zollbeamten der meinen Pass beschlagnahmte. Allerdings war er nirgends zu finden – genauso wie meine Papiere. Ein paar Stunden später und vor allem ein paar Euro später ist mein Pass plötzlich wieder aufgetaucht. Müde aber voller schöner Erinnerungen fuhren wir weiter Richtung Mbour.

Dass ich diese Reisen und Erfahrungen machen durfte, weiss ich sehr zu schätzen. Sie haben mich nicht nur musikalisch weitergebracht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ohne die Musik all dies gar nicht oder nicht gleich intensiv erlebt hätte. Und dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Leider habe ich aus dieser Zeit nur sehr wenige Foto- und Videoaufnahmen.

Auf Youtube habe ich zwei Videos gefunden, welche gut zeigen, wie ich es erlebt habe.

Das Kankourang Fest in Mbour.
Eine Griotfamilie beim Üben in Dakar.

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